Abgründe und Lügen

(in Badische Neueste Nachrichten / Karlsruhe, 21.01.2015)

Christoph Leuchter liest im Blauen Salon aus „Amelies Abschiede“

Blaue Stühle, blaue Wände, blaue Vorhänge. Kerzengerade unter einer Schreibtischlampe sitzt Christoph Leuchter und liest mit angenehmer Stimme aus seinem aktuellen Roman „Amelies Abschiede – Eine Lügengeschichte“. Die Lesereihe „Literatur im Blauen Salon“ findet schon im neunten Jahr an der Hochschule für Gestaltung statt und zieht regelmäßig sowohl wiederkehrendes, als auch neues Publikum an. Veranstaltet wird die Reihe von Stephan Krass in Kooperation mit dem Adam Seide Archiv. Nils Menrad führte durch den Abend.

„Ich bin nicht dein Vater.“ Dieser Satz verändert alles. Doch Amelie findet nach dem Tod ihres Vaters in einem Geheimfach auch noch den Brief von Helen, seiner Geliebten. Der Fund wirft Fragen auf, so begibt sich die junge Frau auf die Suche nach Antworten. Ihre Recherche führt sie immer tiefer in ein Dickicht aus Variationen der Wahrheit, wodurch sie zusehends selbst zur Lügnerin wird. Außerdem stößt sie auf ein Manuskript in mehreren Versionen, die der Autor alle mit demselben Titel überschrieben hat: Amelies Abschiede. Bei ihrem Suchspiel begegnen ihr Abgründe und Lügen, gespickt mit Gefühl und Sinnlichkeit, gesellschaftlichen Grenzüberschreitungen und verstrickten Beziehungen. Damit der Roman in einem Fluss gelesen werden kann, gibt es keine Kapitel. Die Handlung spielt sich auf drei kunstvoll verwobenen Erzählebenen ab und setzt sich zusammen aus Kindheitserinnerungen von Amelie, der Gegenwart und ihrer Suche nach Wahrheit. Der Roman wird für den Leser zum spannenden Puzzle. Der sympathische Autor las mit bildreicher Sprache einfühlsam aus der Sicht einer jungen Frau und erklärt: „Ich habe beim Schreiben versucht, mich als Frau zu fühlen, aber am Ende ist es gar nicht so wichtig.“

Christoph Leuchter hat für seinen ersten Roman „Letzter Akt“ mehrere Stipendien erhalten. Zurzeit arbeitet er an seinem dritten Buch. Leuchter wurde 1968 geboren. Er studierende Germanistik in Bonn und Aachen, promovierte, absolvierte ein Volontariat und arbeitete als Lektor und Texter. Heute ist er Musiker, Autor und Dozent und lebt mit seiner Familie in Aachen. Einen Hauch seiner Erfahrungen ließ er in seinen aktuellen Roman einfließen. Für diesen prägnant sind lebendig charakterisierte Figuren und die mit Humor gewürzte Ernsthaftigkeit des Lebens.

An diesem Abend entschied der Autor spontan, sich selbst musikalisch in Form von Zwischenspielen auf dem Klavier zu begleiten. Die kurzen Musikstücke, die ursprünglich eine Auftragsarbeit für einen modernen Kreuzweg waren, kamen schwermütig, fließend hoffnungsvoll oder beschwingt daher. Durch die Untermalung bekam die Lesung nahezu filmischen Charakter. Kein Zwischenapplaus störte die gespannte, fast schon andächtige Stille im Zuschauerrum. Erst nach Leuchters singendem Abschluss mit eingängiger Melodie, stimmte das Publikum einen begeisterten Schlussbeifall an.

Elisa Walker